Immer mehr Armut in der Schweiz

©Stephan Fuchs

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So unwahrscheindlich es klingt, auch die Schweiz verarmt. Im Internationalen Vergleich immer noch eines der reichsten Länder, sind die Zeichen unverkennbar. Eine grosse Bevölkerungsschicht ist am verarmen.

Kinder und Jugendliche
Rund 100'000 Kinder und Jugendliche in der Schweiz wachsen in Armut auf. Die Folgen sind verheerend: Ausgrenzung und fehlende Perspektiven führen viele ins gesellschaftliche Abseits und in den persönlichen Niedergang.

Hier liegt sehr viel sozialer Sprengstoff begraben, der früher oder später explodiert. Mangelnde Ausbildung, Gewalt, Drogen, Verschuldung, Betreibung, Suizidversuche, Psychiatrische Behandlung. Jeder dritte Sozialhilfebezüger war 1999 jünger als 18 Jahre. Jedes zehnte Kind war in der Stadt Zürich mindestens ein mal auf Sozialhilfe angewiesen. Jedes vierzehnte Kind bezog regelmäßig Geld vom Staat.

Für Kinder und junge Erwachsene, ist es schwierig zu der eigenen Armut zu stehen. Ständig werden sie mit der Verlockung der Werbung konfrontiert, neustens durch das Handy und SMS. Die Soziale Ausgrenzung beginnt. Freunde machen sich rar, der Frust wird groß, die Kriminalität lockt, Drogen helfen übers erste hinweg. Das Elend sitzt im Nacken.

Immer häufiger, leben bereits Zwölfjährige orientierungslos in den Tag hinein, lungern lieber rum, weil es zu Hause nicht auszuhalten ist oder sie sich nicht in die Schule trauen.

Armut, das Gefühl zu den Armen zu gehören ist Gift. Gift für den Geist und die Nerven. Minderwertigkeitskomplexe, Lernschwierigkeiten, das Gesundheitsbewusstsein nimmt ab, Depressionen und Suizidversuche hingegen nehmen bei den Gruppen armer Kinder und Jugendlicher rapide zu.

Wirklich schlimm wird es, wenn sich zur Armut fehlende Integration und fehlende Perspektiven gesellen. Gerade bei Kindern ist das schnell geschehen. Denn gerade die Kinder, die nicht über SMS erreichbar sind, sich nicht die richtigen Trend Kleider leisten können und nicht mit gleichaltrigen fortziehen können, integrieren sich nicht, oder nur in einer Randgruppe. Da herrscht in der Regel Gewalt, Diebstahl und zum Teil wird mit verhängnisvollen Mutproben das fehlende Geld wettgemacht. Die Weichen ins Abseits sind gestellt.

Meistens sind es die in Armut aufgewachsenen Jungen die über die Stränge hauen und sich schon beim Erhalt des ersten Lohnes in Schulden stürzen. Endlich sich was leisten zu können, verleitet die Jungen in den Sog des Überkonsums, den sie sich eben nicht leisten können. Übersteigen die Rechnungen den Stiftenlohn, werden die Eltern wohl kaum helfen können. Die erste Wohnungssuche endet so meistens durch die Einträge im Betreibungsregister. Heute wird zwar viel von der Entspannung auf dem Arbeitsmarkt gesprochen: Für die schwachen Mitglieder der Gesellschaft ist sie jedoch noch in weiter Ferne.

Berufstätige & Familien
Auf die Oberschicht, die etwa 10% der Gesellschaft ausmacht, folgt die Mittelschicht mit 60% und die Unterschicht mit satten 30%.

Wer der Unterschicht unterstellt, dass es in der Schweiz keinen Grund gebe Arm zu sein, irrt. Für den Schweizer Bürger, ist das Bild der Armut in der Regel woanders. Somalia, dicke Hunger-Bäuche, First Aid Einsätze, Elend, Ghetto. Verdreht werden hier die Horrorbilder, denn mit der Situation in der Schweiz, als einem der reichsten Länder der Erde, haben diese Zustände freilich nichts zu tun. Und es ist wahr, selten verhungert oder verdurstet jemand unfreiwillig in der Schweiz. Aber Armut ist etwas relatives und Maßstäbe müssen in Europa anders gesetzt werden.

Die Schere von Meistverdienenden und Mindestverdienenden klafft bedrohlich auseinander. Vor allem das Kapitaleinkommen steigt durch die Börsenentwicklung, was jene begünstigt, die ohnehin schon am Reichtum partizipieren. Für die untersten 30% und jene die bald dazugehören, steigen nur die Krankenkassen und die Lebensmittel, sowie die Mieten.

Für die Klasse der beruflich minder qualifizierten Working Poor, mit immerhin 250'000 – 410'000 Betroffenen, ist das der beginn der Armut. Für Familien, welche beide zu 100% arbeiten und zusammen gerade knapp über 3000 sFr. Verdienen, ist es ein Desaster.
Da bleibt nur der Gang auf das Sozialamt, Caritas oder den kirchlichen Hilfswerken mit ihren Suppenstellen, welche von den rechten Oppositionsparteien und dem politischen sparefroh torpediert werden. Gerade jene Politischen Scharfschützen, gehören in der Regel zu den oberen 10%. Damit kann es zum Wunsch nach einer Umverteilung kommen, was die Gefahr von sozialen Unruhen in sich birgt.

Vor allem seit der Prämienteuerung der Krankenkassen, wird es für Familien mit zwei und mehr Kindern eng. Zu eng.

Viele der Väter und Mütter wissen nicht mehr, wie sie nach dem 22. des Monats noch über die Runden kommen. Es kommt vor, dass zur Überbrückung, der „Göttibatzen" der Kinder geleert wird. Wenn Eltern zu solchen Handlungen gezwungen sind, ist es bitter. Die Spirale beginnt sich zu drehen. Die Eltern sind nervös, gereizt, schlafen schlecht, arbeiten schlecht, verlieren den Job. Die Kinder haben Konzentrationsstörungen, schämen sich, haben Angst vor der Zukunft.

Rauft sich die Familie zusammen und übersteht das tief, melden sich meistens auf Druck der politischen Scharfschützen, subito die Sozialämter und verlangen die Unterstützungsgelder zurück. Wieder leiden die schwächsten, die neue Generation.

Bestimmt hilft die rigorose Sparpolitik den Politikern einige Stimmen zu gewinnen, aber das fundamentale Gut der Schweiz wird übersehen. Für die Zukunft werden Couragierte, innovative und ausgebildete junge Menschen nötig sein um die Probleme der Zukunft zu lösen.



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