Verfahren
gegen Al-Taqwa eingestellt
©Stephan
Fuchs
journalismus – nachrichten von heute
01-006-2005
Nach
über drei Jahren Ermittlung wurde das Verfahren gegen die in Lugano
domizilierte Finanzfirma Al-Taqwa eingestellt. Die Firma wurde im Nachgang zu den
Terroranschlägen in den USA der Terrorismus-Finanzierung verdächtigt. Einige
Stunden vor der offiziellen Ankündigung von Washington stürmten Polizeibeamte
die Al-Taqwa Büros in der Schweiz und in Liechtenstein sowie die Wohnsitze von Yusuf Nada und Ali Ghalib Himmat, zwei Direktoren
der Firma Al-Taqwa. Die beiden Verantwortlichen, Youssef
Nada und Ali Ghaleb Himmat
kommen ungeschoren davon, ihre Konten bleiben weiterhin blockiert. Die Zweifel
bleiben.
Mit
Entscheid vom Dienstag stellte die Schweizer Bundesanwaltschaft das
Strafverfahren wegen Verdachts auf Beteiligung und/oder Unterstützung einer
kriminellen Organisation ein. Der gebürtige Ägypter Nada,
der in der italienischen Exklave Campione bei Lugano
lebt, und der aus Syrien stammende Himmat waren seit
dem 24. Oktober 2001 im Visier der Bundesanwaltschaft. Die beiden standen
ebenfalls auf der berüchtigten U. S. Terror Liste. Einige Wochen später, am 29.
November, schlossen italienische Ermittler ein in Mailand basierendes
islamisches kulturelles Zentrum, das verdächtigt wurde, al-Qai’dahs
logistisches Zentrum europäischer Zellen zu sein. Ahmad Idris
Nasr Al-Dill, ein wohlhabender Geschäftsmann und
ehemaliger Konsul Kuwaits in Mailand, war kräftiger finanzieller Unterstützer
des Zentrums und ebenfalls Direktor der Firma Al-Taqwa. Die Transaktionen
sollen über die auf den Bahamas ansässige Al-Taqwa-Bank
abgewickelt worden sein.
Dem deutschen Wochenmagazin "Der Spiegel" zufolge ist Ghaleb Himmat auch Präsident der in Bayern basierenden Islamischen
Gesellschaft Deutschlands IGD, eine Organisation, die von der muslimischen
Bruderschaft gegründet wurde. Deutsche Behörden gehen davon aus, dass es sich
um eine ideologische Brutstätte für islamische Extremisten handelt. Himmat dient auch als Direktor des Genfer Zweiges der
Internationalen Islamischen Wohltätigkeitsorganisation (IICO), deren Hauptsitz
in Kuwait liegt. Ein anderer IICO-Direktor, der in Quatar lebende Yusuf al-Qardawi ist Al-Taqwas
Präsident des religiösen Beraterstabes, der sicherstellt, dass die Bank die
Lehre des Qur'an nicht verletzt. Qardawi,
ein feuriger Sprecher, der als einer der höchsten geistigen Führer der
muslimischen Bruderschaft betrachtet wird ist auch ein offener Anhänger der
palästinensischen Terrorgruppe Hamas. Er gab sogar eine fatwah
heraus, die Hamas Selbstmordbomber für Märtyrer erklärt und ihre Taten zur
"höchsten Form des jihad" erhob. Al Taqwas finanzielle Beziehung zu Hamas wurde 1997 nach einem
Skandal bekannt, bei welchem das Verschwinden eines großen Teiles des Hamas Schatzes
von Bestand war. Dieser Skandal führte zu einer internen Untersuchung, die eine
vorsichtige Prüfung der Rolle der Al Taqwa in dieser
Angelegenheit mit sich brachte. Himmat arbeitete eng
mit dem in Genf ansässig gewesenen Ägypter Said Ramadhan
zusammen, der 1954 in das Attentat auf Ägyptens Präsident Nasser verwickelt
war. Youssef Nada wiederum
war in der italienischen Denkfabrik Pio Manzu, einer renommierten Denkfabrik der auch Henry
Kissinger sowie Strategieexperten und Zukunftsforscher angehören, als Mitglied
verzeichnet.
Bundesanwaltschaft unter erschwerten Recherchen
Der
stellvertretende Schweizer Bundesanwalt Claude Nicati
sagte in einem Interview der Nachrichtenagentur AP: "Selbst wenn sehr
ernsthafte Zweifel bezüglich der beiden Beschuldigten bestehen, sind die
Elemente nicht ausreichend, um das Bundesstrafgericht zu überzeugen." Ganz
konkret hätten es die umfangreichen Ermittlungen nicht erlaubt, an die
Buchhaltung der Bank Al Taqwa heranzukommen. Die
Bahamas haben gemäss Nicati nie eine brauchbare
Antwort auf die Rechtshilfe-Ersuchen aus der Schweiz gegeben. Die Buchhaltung
selber befinde sich nach Aussagen eines der beiden Beschuldigten inzwischen in
der saudiarabischen Hauptstadt Riad. Trotz zweier Besuche Nicatis
in Saudi-Arabien sei es nicht gelungen, sie ausfindig zu machen. Nicati verteidigte die lange Dauer des Verfahrens und gab
sich überzeugt, dass die Schweiz international glaubwürdiger dastehe, als wenn
sie das Verfahren rasch eingestellt hätte. "Ich sehe das Verfahren deshalb
absolut nicht als Misserfolg", sagte er. Druck der USA habe es zu keinem
Zeitpunkt gegeben.
Betroffene
zufrieden
"Natürlich
bin ich glücklich", sagte der 74-jährige Youssef
Nada gegenüber der Nachrichtenagentur AP, wollte die
Verfügung der Bundesanwaltschaft aber nicht weiter kommentieren. Der 66-jährige
Ali Ghaleb Himmat zeigte sich ebenfalls hoch erfreut:
"Ich habe immer gewusst, dass ich nichts Falsches getan habe." Er sei
auch zuversichtlich gewesen, dass die Schweizer Behörden zum gleichen Schluss kämen.
Der Anwalt von Nada zeigte sich erleichtert über die
Einstellungsverfügung und bezeichnete sie als logische Konsequenz des
Bundesstrafgerichts-Urteils. Er will nun eine Entschädigungsforderung prüfen.
Bank
mit islamischen Grundsätzen
Ein
leitendes Mitglied der ägyptische Moslembruderschaft, der Nada
und Himmat angehören sollen, sagte in Kairo, Al Taqwa sei aufgebaut worden, um Bankdienstleistungen nach
islamischen Grundsätzen in Europa anzubieten. Die Al-Taqwa-Verantwortlichen
hatten schon früher jede Verbindung zum Terrorismus bestritten und der Schweiz
vorgeworfen, sie lasse sich in eine von den USA geführte Kampagne gegen Muslime
einspannen. Die Bundesanwaltschaft führt noch ein zweites Verfahren wegen
Terrorismus-Finanzierung. Es betrifft einen saudiarabischen Geschäftsmann, der
verdächtigt wird, 1998 die Terrororganisation Al Kaida
mit einer Zahlung von 1,25 Mio. Dollar unterstützt zu haben. Die
Bundesanwaltschaft hob nun die Kontenblockierungen gegen Nada
und Himmat und gegen ihre inzwischen liquidierte
Tessiner Firma auf. Unter dem Sanktionenregime der
UNO bleiben die Konten aber blockiert, weil die Betroffenen nach wie vor auf
der US-Liste mit terrorverdächtigen Personen stehen
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