©Stephan
Fuchs
journalismus – nachrichten von heute
06-10-2005
In
Rom beginnt heute vor einem Schwurgericht der Prozess um den Tod des
italienischen Vatikan-Bankiers Roberto Calvi. Auch
dieser Prozess wird mit höchster Wahrscheinlichkeit und nach bester Tradition im
Sand verlaufen. Wie schon so viele andere wo Mafia und Politik verstrickt sind.
Der Prozess ist Unsinn.
Der schwarze Mönch hängt in
der Brücke
Am
morgen des 18. Juni 1982 entdeckte die englische Polizei unter dem zweiten
Bogen der Blackfriars Bridge in London den Leichnam
von Roberto Calvi, besser bekannt als der „Bankier
Gottes“. Sein Bein war angewinkelt, in seinen Jackentaschen waren Backsteine,
die ihn ordentlich nach unten zogen. Die Polizei ging von Selbstmord aus, doch
die war von Anfang an unglaubwürdig. Demnach sollte Calvi,
ein alter, kleiner, untersetzter Mann von stattlichen 120 Kilo Körpergewicht am
17.Juni 1982 abends im Stockdunklen über eine schmale, glitschige Leiter die Blackfriars Bridge hinabgestiegen,
sodann über einen schmalen Gang entlangbalanciert und
ein hohes Gerüst hinabgeklettert sein. Am Ende hätte er sich, knapp über dem
Wasserspiegel der Themse einen Strick um den Hals legen müssen, den er zuvor am
Gerüst hätte befestigen müssen, um sich dann ins Wasser gleiten zu lassen, und
das alles mit den schweren Steinen in den Taschen, die man in seinem Anzug fand.
Im Juli 2003 erklärte die italienische Staatsanwaltschaft in Rom, daß Roberto Calvi ermordet wurde.
Am 18. April 2005 wurde schliesslich Anklage wegen Mordes an Calvi gegen die damals 19 Jährige Kärntnerin Manuela Kleinzig, ihr Ex-Freund und Calvis
Geschäftspartner Flavio Carboni sowie gegen zwei
mutmaßliche Mafiosi, Pippo Calo
und Ernesto Diotallevi erhoben. Diese stehen nun
heute vor Gericht.
Mit der Gnade Gottes
Milliarden verschwunden
1957
gründete Roberto Calvi in Lugano die Banca del Gottardo mit späteren Zweigstellen
in Zürich, Chiasso, Lausanne, Frankfurt und Nassau. Der
Liechtensteiner Rechtsanwalt Walter Keicher gründete
in Vaduz die Firma Lovelock, die später zur Basis
einer ausgedehnten Geheimstruktur neben der legalen Banca
del Gottardo werden sollte. 1960 übernahm die Ambrosiano Bank 40 Prozent der Banca
del Gottardo. 1963 gründete die Lovelock
in Luxemburg die Firma Copendium, welche schon bald
damit begann, an der Börse von Mailand insgeheim Ambrosiano
Aktien aufzukaufen. Darauf wurde in Lugano die Ultrafin
gegründet, wo ebenfalls Calvi im Verwaltungsrat sass.
So baute sich Calvi im Verlauf der 60er Jahre
systematisch eine Doppelstruktur im Ausland. Der geheime Teil wurde unter dem
Dach der Liechtensteiner United Trading getätigt, die von den Gottardo Managern Garzoni und Bolgiani kontrolliert wurden.
Dann
intensivierte die Banco Ambrosiana
die Zusammenarbeit mit der Vatikanbank IOR (Istituto
Opere di Religione), es kam gar zu einer
strategischen Allianz. Präsident der IOR war der aus Chicago stammende Erzbischof und ehemaliger Papstleibwächter Paul Marcinkus. Er beteiligte sich an der Geheimstruktur Calvis. Dazu übernahm die IOR Anteile an der Cisalpine Bank
in Nassau, einer offiziellen Ambrosiano Tochter die Calvi 1971 mit Fernando Garzoni
von der Gotthard Bank gründete. Der ritte im Bunde von Calvi
und Erzbischof Marcinkus wurde Michele Sindona, der Bankier der sizilianischen Mafia und Mitglied
der Geheimloge Propaganda Due,
P2. Sindona war ursprünglich ein Steuerberater aus
Messina, siedelte 1946 nach Mailand aus und
arbeitete seit den 50er Jahren für die legendäre New Yorker Mafia Familie
der Gambino. Das Trio war perfekt. Die umstrittene Geheimloge P2, die Mafia und Geheimstrukturen des Vatikans
verstrickten sich im Sumpf. Die
Schäfchen Gottes konnten gerissen werden. Dabei verschwanden zwischen 1972 und 1981 mehr
als 1,3 Milliarden US-Dollar.
Gottes Zorn
Sindona, der in Amerika, Italien und in der Schweiz Banken und Parabanken gründete verspekulierte sich gewaltig, bis sein
Imperium zerfiel. Die Geldzuflüsse der Gambino
Familie versiegten. 1980 wurde er in Amerika zu 25 Jahren Zuchthaus wegen
betrügerischen Bankrotts verurteilt und 1984 nach Italien abgeschoben. 1986
wurde Sindona als Auftraggeber der Mörder von Giorgo Ambrosoli, der eine
offizielle Untersuchung des Ambrosiano Bankrotts
gemacht hatte, zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt. Zwei Tage nach dem Urteil
starb Sindona im Gefängnis an einer Prise Zyankali im
Kaffe.
Der
Bankrott der Sindona Banken brockte seinen Partnern Calvi und Marcinkus einige
Probleme ein. Calvi verschwand vor seinem Tod mehrere
Tage lang spurlos. Angeblich hatte er eine Tasche mit belastenden Unterlagen
über hohe italienische Politiker bei sich. Calvi flüchtete
über Österreich nach England, dort soll er von der Mafia abgeholt worden sein. Ein
Auftragsmord, ausgeübt von zwei Mafia-Killern? Tatsächlich berichtet ein Zeuge,
dass zwei Italiener Calvi in seinem Hotel abgeholt
hatten. Danach wurde er nicht mehr lebend gesehen. Die beiden Männer könnten Calvi erzählt haben, dass er mit ihnen seine geheimnisvolle
Flucht fortsetzen soll und ihn so in ein Boot gelockt haben. Flavo Carboni habe
den Auftrag dazu erteilt. Carboni ist eine
schillernde Figur mit Kontakten zur Wirtschaft, dem Vatikan, der Politik - und
der Mafia. Er organisierte damals Calvis illegale
Reise, er war in London als der "Bankier Gottes" starb und mit ihm
war seine damals 19 Jährige deutsche Freundin Manuela Kleinzig.
Carboni wurde 1989 wegen Hehlerei angeklagt. Er soll
versucht haben, Papiere aus Calvis Aktentasche an den
Vatikan zu verkaufen. Ein Mafia-Pate sagte Anfang der 90er Jahre aus, Calvi sei ermordet worden. Die beiden mutmaßlichen Killer
seien inzwischen aber selbst getötet worden. Manuela Kleinzig
hatte sich gemeinsam mit Carboni in London
aufgehalten, als Calvi dort zu Tode kam. Sie hat
stets ihre Unschuld beteuert. Heute ist sie Mutter eines achtjährigen Kindes.
Ihre Anwältin Ersilia
Barracca versteht die Anklage nicht: "Bei einem
Prozess um Calvis Tod in Mailand hatte man meiner
Mandantin nur vorgeworfen, dem Bankier geholfen zu haben, Italien zu verlassen.
Damals wurde sie freigesprochen. Ich begreife nicht, wie man ihr
jetzt Beihilfe in einem Mordfall vorwerfen kann".
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